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"Schreib mal was zum Thema Bindung!" Teil 1

Das Thema Bindung hat viele Facetten...

„Schreib doch mal was über Bindung!“ Das ist doch dein Herzensthema, hat mir neulich eine Bekannte gesagt. Ja, da kann ich ihr nur zustimmen. Gleichzeitig frage ich mich, warum ich das hier noch nicht getan habe...

 

Vielleicht liegt es daran, dass über das Thema Bindung an vielen Stellen in den sozialen Medien und in diversen Blogs geschrieben wird. Mal sehr plakativ, mal tiefgründig, mal sehr einfühlsam und dann wieder mit dem gefühlt erhobenen Zeigefinger. Und ich merke, das macht etwas mit mir. Mit mir als Fachfrau und mit mir als Mutter. Was ich überhaupt nicht mag, sind Belehrungen. Gerade bei diesem Thema finde ich das besonders schwierig und auch wirklich nicht hilfreich.

Ich habe in der Begleitung von Eltern immer wieder erlebt, wie viel Scham hier auch berührt wird. Wie viel Kraft und Energie investiert wird, um es mit den eigenen Kindern so gut wie möglich zu machen. Wie anstrengend das auch erlebt werden kann. Und wie verletzlich man gerade hier sein kann. Glück und Liebe liegen manchmal neben Schmerz und Trauer. Das gilt es zu beachten und wertschätzend und mitfühlend anzuerkennen. Und gerade das Stichwort Bindung löst in uns allen etwas aus. Manchmal ganz Unterschiedliches. Deshalb möchte ich dazu einladen, besonders achtsam damit umzugehen sowie der Geschichte und dem Gewordensein jedes Einzelnen mit Würde und Respekt zu begegnen. Ich glaube, das ist die Grundlage dafür, dass wir uns im Hier und Jetzt auf den Weg zu mehr gesunden Beziehungen und einem bindungsstärkeren Miteinander machen können.

Wie ich dazu gekommen bin

Ich kann mich noch so gut erinnern, als ich an der Uni und an der FH die ersten Fachartikel und Bücher über Bindung gelesen habe. Als ich angefangen habe, selbst darüber in unterschiedlichen Seminar- und Abschlussarbeiten zu schreiben. Ich war von Anfang an Feuer und Flamme. Bindungsförderung mit all ihren Aspekten, die verschiedenen evidenzbasierten Programme, Studien... Ich hatte das Gefühl, dass ich anfing zu verstehen, was sich mir in der Arbeit mit Kindern und Familien zeigt. Und ich spürte: Hier kann ich etwas bewegen, hier kann ich schon früh dazu beitragen, dass Beziehungen gestärkt werden.

 

Das ist nun schon fast 20 Jahre her. Und seitdem sind viele Eindrücke, Erkenntnisse und Erfahrungen hinzugekommen... und nicht zuletzt bin ich inzwischen selbst Mutter geworden.

 

Mein Zugang hat sich verändert, erweitert, wenn man so will. Nach wie vor finde ich es wichtig, psychoedukatives Wissen über Bindung zu vermitteln. Aber im Kontakt mit Menschen, insbesondere mit Eltern und ihren Kindern, liegt mein Hauptaugenmerk immer auf dem Verstehen dessen, was sich zeigt. Wie es gerade für Mutter und Kind ist, wenn sich der Beginn des gemeinsamen Lebens vielleicht als sehr herausfordernd darstellt. In all den Themen, die sich da zum Beispiel am Lebensbeginn zeigen (Schlafen, Weinen, Essen... und vieles vieles mehr).

Und während ich diese Zeilen schreibe, wird mir bewusst, dass der Text, der auf die Aufforderung, etwas über Bindung zu schreiben, folgt, vor 20, vor 15, vor 10 und auch vor 5 Jahren wahrscheinlich ganz anders gelautet hätte als dieser heute. Vielleicht mit einem andern Fokus und mit viel mehr Erklärungen und Fakten.

Was mag ich denn zu  Bindung schreiben...

Ich erinnere mich, wie die Bindungsforscher Powell, Cooper, Hoffman und Marvin, die auch den „Circle of Security“ zur Bindungsförderung für Eltern entwickelt haben, den Begriff Bindung einleitend mit folgender Begebenheit aus einem Kinderbuchklassiker veranschaulichen:

Ferkel schlich sich von hinten an Puh heran. »Puh!« flüsterte es. »Ja, Ferkel?«

 

»Ach nichts«, sagte Ferkel und nahm Puhs Tatze. »Ich wollte nur sicher sein, daß du da bist.«

 

A.A. Milne, Puh, der Bär

"Da-Sein" und präsent sein

Es geht ganz zentral um das „Da-Sein“ - auch um das emotionale Da-Sein/Präsent-sein. Nicht hundertprozentig rund um die Uhr - das würde jeden überfordern. Bei Bindungserfahrungen geht es sicherlich nie darum etwas perfekt zu machen. Es geht vielmehr darum, dass diese Präsenz eine Grundtendenz in der Beziehung ist, wie eine Melodie. Aus meiner Erfahrung mit Eltern und ihren Kindern weiß ich, dass dies immer wieder auch eine große Herausforderung darstellt.

Vielleicht ist es entlastend zu wissen, dass es in der Bindung immer auch so etwas wie "Riss und Reparatur" gibt. Das mag jetzt etwas mechanisch klingen, ist es aber nicht. Es geht darum, Momente wahrzunehmen, in denen etwas in der Beziehung nicht so fein war. Und es zu erkennen, zu benennen und wieder in Kontakt zu kommen. Ganz alltagspraktisch kann damit das Verbalisieren und Aussprechen gemeint sein. Dass ich meinem Gegenüber (egal ob Kind oder Erwachsener) sage, wenn etwas nicht in Ordnung war, was ich getan oder gesagt habe und damit meinen Teil der Verantwortung übernehme. Damit geht einher, dass ich mich auch mit mir selbst beschäftige.

Ein wesentliches Element ist dabei auch die Achtsamkeit uns selbst gegenüber und die Hinwendung zum eigenen Gewordensein. Es kann sehr hilfreich sein, jemanden an unserer Seite zu haben, der einen gut begleitet. Gemeinsam kann man in einem achtsamen Rahmen herausfinden, welcher Weg für alle Beteiligten gut "gehbar" ist und was es dafür braucht.

Dies kann in verschiedenen Settings geschehen. Manchmal reicht eine Beratung zu einem bestimmten Thema aus, manchmal benötigt es eine längere Begleitung und fachkundige Beratung und manchmal braucht es vielleicht noch mehr Unterstützung. In solchen Fällen kann es heilsam sein, die Dinge in einem therapeutischen Rahmen auf einer tieferen und heilsamen Ebene zu betrachten. Bei all diesen Ansätzen geht es letztendlich darum, ein Stück des Weges gemeinsam zu gehen - mit all seinen Höhen und Tiefen - bis weniger oder vielleicht keine Unterstützung mehr benötigt wird.