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"Schreib mal was zum Thema Bindung!" Teil 2

Bindung und Autonomie

Wenn ich nun in diesem zweiten Teil meines Beitrags über Bindung schreibe, so kann dies nicht ohne den Aspekt der Autonomie geschehen.

Bindung und Autonomie sind eng miteinander verbunden. Bindung bezieht sich auf die Fähigkeit, eine sichere und vertrauensvolle Beziehung zu anderen Menschen aufzubauen und aufrechtzuerhalten. Autonomie hingegen bezieht sich auf die Fähigkeit, unabhängig zu sein, eigene Entscheidungen zu treffen und für sich selbst zu sorgen.

 

Eine gesunde Bindung ermöglicht es uns, uns sicher und geborgen zu fühlen, während wir gleichzeitig unsere individuellen Bedürfnisse und Wünsche ausdrücken können. Dass wir also in einer Beziehung sowohl unsere Verbundenheit als auch unsere Autonomie wahren können.

 

Das Titelbild des ersten Teil dieses Beitrags wurde auf einem Schiff aufgenommen - es zeigt ein Tau. Das Tau symbolisiert die Bedeutung von Bindung, indem es das Knüpfen vieler dünner Fäden in verschiedenen Alltagssituationen darstellt, die letztendlich in ihrem Zusammenspiel ein starkes und haltendes Band formen. Ähnlich wie Taue oder Seile dienen Bänder dazu, Dinge zu verbinden, Halt zu geben und etwas zu sichern. Gleichzeitig können sie auch gelockert und gelöst werden, wenn es ander Zeit ist und man bereit ist. Mit dem Schiff kann man die Welt erkunden, mit der Gewissheit, jederzeit wieder in den sicheren Hafen der Bindung zurückkehren zu können. Diese Metapher erinnert mich an die Worte von John Bowlby, dem Begründer der Bindungstheorie, der sagte, dass Bindung ein unsichtbares gefühlstragendes Band ist, das uns über Zeit und Raum miteinander verbindet. Den Zusammenhang zwischen einem sicheren (Bindungs-) Hafen und der Möglichkeit, in die Welt hinauszugehen, zu verstehen, finde ich hier besonders hilfreich.

 

Eine gute Balance zwischen Bindung und Autonomie ermöglicht es uns, uns frei zu entfalten und gleichzeitig Unterstützung und Nähe von anderen Menschen zu erfahren. Es ist ein dynamisches Zusammenspiel zwischen dem Bedürfnis nach Nähe und dem Bedürfnis nach Unabhängigkeit.

 

Wenn Bindung und Autonomie im Gleichgewicht sind, können wir gelingende Beziehungen aufbauen, in denen wir uns gegenseitig unterstützen und respektieren. Das ist essenziell, aber im täglichen Miteinander auch immer wieder eine Herausforderung für uns alle, diese beiden Aspekte in Einklang zu bringen. Im Laufe der Kindheit, insbesondere mit Beginn der Autonomiephase, und während des gesamten Lebens ist dies etwas das uns als Person immer wieder beschäftigt und uns einlädt sich damit auseinanderzusetzen. Dass es sinnvoll ist, hier genauer hinzuschauen, zeigt sich oft spätestens dann, wenn wir selbst Eltern werden. Gleichzeitig ist es eine Einladung des Lebens an uns, gemeinsam mit unseren Kindern achtsam und liebevoll zu wachsen.

 

Die vielen Facetten

Durch mein starkes Interesse an Bindung und Beziehungen habe ich im Laufe der Jahre festgestellt, dass es viele Verbindungen zu anderen Themenbereichen gibt. Die Bindung ist eng mit dem Thema Trauma verbunden, da traumatische Erfahrungen die Bindungsfähigkeit beeinflussen können. Von dort aus bin ich zur Achtsamkeit und zum Selbstmitgefühl gekommen, da diese Fähigkeiten eine wichtige Rolle bei der Entwicklung gesunder Bindungen und auch bei der "Nachbeelterung" verletzter Anteile in uns als Erwachsene spielen.

Die Auseinandersetzung mit dem Thema Trauer hat mir gezeigt, wie eng diese mit der Bindung verbunden ist. Trauer und alle damit verbundenen Aspekte beeinflussen unser gesamtes Erleben und damit auch unsere Beziehungen. Wenn wir beispielsweise einen geliebten Menschen verlieren, erleben wir oft einen Bruch in unserer Bindung zu ihm. Die Trauerarbeit kann helfen, diesen Bruch zu erkennen und zu heilen. Damit die Liebe und Verbundenheit bleiben und der Verlust integriert werden kann. Dies hat wiederum auch Einfluss auf unsere anderen nahen Beziehungen.

 

All diese Aspekte sind in meine Hinwendung zur Körperorientierung eingeflossen. Der Körper spielt in der Bindungsarbeit eine zentrale Rolle, da er uns wichtige Informationen über unsere Bedürfnisse und Gefühle gibt. Durch das Einbeziehen des Körpers haben wir ganz andere Möglichkeiten, uns mit uns selbst und damit auch mit anderen Menschen zu verbinden. Dies wird z.B. beim Thema "Selbstanbindung" noch einmal besonders deutlich. Durch die Einbettung in die existenzanalytische Haltung ergibt alles nun einen wirklichen Sinn und findet zusammen. Die existenzanalytische Haltung ermöglicht es mir, die individuellen Bedürfnisse und Lebenserfahrungen meiner Klienten zu berücksichtigen und sie auf ihrem Weg zur Entwicklung gesunder Bindungen zu begleiten.

Für mich persönlich ist es wichtig, dass ich mich sowohl in den genannten Bereichen gut auskenne als auch eigene spezifische Selbsterfahrung gemacht habe. Dies gewährleistet die Qualität meiner Begleitung und Beratung.

Es wird deutlich, dass das Thema Bindung nie isoliert betrachtet werden kann, da es mit vielen verschiedenen Aspekten und Themen verbunden ist. Es ist wichtig, diese Verbindungen zu erkennen und in die Arbeit einzubeziehen, um eine ganzheitliche Unterstützung bieten zu können.

 

Zusammenfassend

Für Bindung ist es nie zu spät.

 

Wir können immer wieder aufs Neue in Verbindung gehen.

 

Bindung entsteht durch das Knüpfen vieler dünner Fäden in verschiedenen Alltagssituationen, die ein starkes und haltendes Band formen. Das Bild eines Seils passt hier sehr gut.

 

Bindung ist auch immer wieder Riss und Reparatur. Also das Wahrnehmen von Momenten, in denen etwas in der Beziehung nicht so gut geklappt hat. Momente, in denen die Bindung vielleicht kurz brüchig geworden ist. Diese zu erkennen und zu benennen und wieder in Kontakt zu kommen.

 

Bindung ist immer auch im Kontext eines dynamisches Zusammenspiels mit Autonomie zu sehen.

 

Bindung ist auch im Zusammenspiel mit anderen Aspekten zu sehen, die ihre Entwicklung mit beeinflussen.

 

In unserem ganzen Leben geht es letztendlich um Bindung.

 

Um Verbindung. Mit uns selbst und mit anderen.