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Von inneren Gärten und Mitgefühl für uns selbst

Von inneren Gärten und Mitgefühl für uns selbst

In unserer Gesellschaft ist das Streben nach dem ständigen Höher, Schneller, Weiter, Schöner, Besser weit verbreitet und wird oft unhinterfragt als „Lebensphilosophie“ übernommen und weitergegeben. Dahinter steht das immanente Gefühl „nicht gut genug zu sein“. Ein innerer Kritiker, der uns ständig zuflüstert, dass wir noch mehr leisten, in irgendeinem Bereich besser werden, vielleicht sogar „perfekt“ sein müssen. Oft sind diese hohen Erwartungen schier unerfüllbar und unser innerer Kritiker und Antreiber kommt selten zur Ruhe.

Leider macht das auch vor unserem Leben mit Kindern nicht halt. Gerade weil Eltern es gut machen wollen, haben sie oft hohe Erwartungen und Ansprüche an sich selbst. Mit dem tief verankerten Wunsch, möglichst gute Eltern für ihr Kind zu sein und es vielleicht auch auf jeden Fall besser zu machen als die eigenen Eltern.

Verborgen in uns können - ohne dass wir es merken - sehr starke Kräfte am Werk sein, die uns ganz schön auf Trab halten und uns immer wieder ein Stück über unsere eigenen Grenzen bringen. Ein hoher Anspruch an uns selbst und eine innere Stimme, die uns gnadenlos kritisiert, wenn uns etwas nicht so gut gelingt. Das zieht sich durch alle Lebensbereiche und manchmal auch ganz besonders durch das Elternsein.

Wie gehen wir mit anderen Menschen um und wie mit uns selbst?

Stellen wir uns einmal vor, wir treffen einen guten Freund oder eine gute Freundin. Er oder sie erzählt uns von einem negativen Erlebnis, einem Missgeschick und ist sichtlich niedergeschlagen. Wie würden wir mit diesem Freund oder dieser Freundin umgehen, den oder die wir wirklich mögen? Wie würden wir mit ihm/ihr sprechen? Mit welcher Haltung und in welchem Ton?

Und wenn uns nun das Gleiche passiert? Wie würden wir mit uns selbst umgehen?

Selbstmitgefühl entwickeln

Selbstmitgefühl bedeutet, dass wir uns selbst gegenüber freundlich und verständnisvoll bleiben, wenn wir Fehler machen, anstatt uns für alle vermeintlichen Unzulänglichkeiten hart zu verurteilen oder zu kritisieren. So, wie wir es mit einem guten Freund oder einer guten Freundin machen würden.

Wenn wir uns selbst mit Mitgefühl begegnen, können wir immer öfter erleben, dass wir negative und selbstabwertende Gedanken bewusst wahrnehmen. Mit der Zeit können wir lernen, liebevoller mit uns selbst umzugehen. Wir setzen uns auch weniger unter Druck. Selbstmitgefühl geht immer mit einer gewissen Achtsamkeit einher. Wenn wir einzelne Momente wahrnehmen und erleben können, gelingt es uns leichter, auch in schwierigen Momenten bei uns zu sein und mitfühlender mit uns selbst zu werden.

Selbstmitgefühl wird oft mit Selbstmitleid gleichgesetzt. Während Selbstmitleid schwächt, stärkt Selbstmitgefühl. Wenn wir mitfühlend mit uns selbst sind, nehmen wir eine liebevolle und fürsorgliche Haltung uns selbst gegenüber ein. Wenn wir uns selbst bemitleiden, erleben wir uns - kurz gesagt - als bemitleidenswert und wenden uns sozusagen von uns selbst ab. Im Selbstmitgefühl sind wir annehmend uns selbst gegenüber. Wir wenden uns uns selbst zu.

Achtsamkeit und auch Selbstmitgefühl sind in den letzten Jahren intensiv wissenschaftlich erforscht worden. Es gibt Hinweise darauf, dass die Steigerung des Selbstmitgefühls ein Schlüsselmechanismus für die Wirkung evidenzbasierter achtsamkeitsbasierter Programme ist.

Insbesondere für Eltern und Personen, die Kinder und Jugendliche begleiten und im pflegerischen, therapeutischen und pädagogischen Bereich tätig sind, ist Selbstmitgefühl eine wichtige stärkende Komponente. Neben dem gesellschaftspolitischen Aspekt, der in diesen Bereichen nicht ausgeklammert werden kann, ist es auch der persönliche, dem wir uns zuwenden können.

Unser innerer Garten

Wie man in herausfordernden Situationen mitfühlend und wohlwollend mit sich selbst umgeht, wie man gut zu sich selbst sein kann, wie man sich selbst ein guter Freund sein kann, das kann man gezielt erforschen, erlernen und üben...

Der Vergleich mit einem inneren Garten passt hier sehr gut. Wie ein weiser und gütiger Gärtner können wir lernen, unsere inneren Antreiber, Kritiker und Perfektionisten nicht aus dem Garten zu verbannen, sondern genau hinzuschauen, welche Funktion sie eigentlich für uns haben. Meist haben auch diese Teile einen guten Grund für ihr Dasein und wollen uns letztlich schützen. Wenn wir das herausfinden, haben wir die Chance, für sie einen guten und passenden Platz in unserem inneren Garten zu finden. Indem wir uns offen und neugierig all unseren Facetten zuwenden und sie erforschen, beginnen wir einen Prozess der Entwicklung und Entfaltung. Indem wir lernen, auch ungeliebte Anteile wahrzunehmen und vielleicht sogar anzunehmen, können wir vielleicht manchen erbitterten inneren Kampf aufgeben.

Achtsamkeit und Selbstmitgefühl können dabei hilfreiche Begleiter auf dem Weg zu mehr liebevollem Wohlwollen uns selbst gegenüber sein.

Hierzu gibt es verschiedene Möglichkeiten. Zum einen gibt es verschiedene erprobte Kurse zu diesem Thema, zum anderen werden die Erkenntnisse und Übungen zunehmend gezielt in beraterische und therapeutische Kontexte integriert.