Von Schutz, Raum und Halt
Die Existenzanalyse geht von vier existentiellen Grundmotivationen aus, die uns als Mensch bei der Gestaltung eines erfüllten Lebens bewegen. Man könnte es auch sehr vereinfacht Grundthemen nennen. Über die 4 Grundmotivationen kommen wir – laut Existenzanalyse – zu einer erfüllenden Existenz. Eine erfüllende Existenz könnte – wiederum sehr vereinfacht – auch mit unserem ganz persönlichen Glück beschrieben werden.
In der ersten Grundmotivation geht es kurz gesagt darum, „da sein zu können“. Wir sind darauf ausgerichtet, in der Welt zu sein
und überleben zu können. Hierbei brauchen wir Schutz, Raum und Halt, damit sich Vertrauen und Grundvertrauen bilden und entfalten können. So lernen wir, das, was ist, anzunehmen oder
aushalten zu können. Wir suchen also Schutz, Raum und Halt, um in der Welt sein zu können.
Jeder Mensch braucht, um gut in der Welt sein zu können, das unbedingte Vertrauen auch wirklich sein zu können. Also ohne Angst und ständigem Kämpfen sein Leben wirklich leben zu können.
Was gibt mir Halt in meinem Leben? Im Sinne von: was trägt mich? Wo erfahre ich Schutz? Wo fühle ich mich zum Beispiel geborgen und beschützt? Und wo und wie erlebe ich Raum? Im Inneren und im Äußeren. Damit sind zum Beispiel schon ganz basal auch die körperlichen Erfahrungen gemeint. Der Boden, der mich trägt, eine Behausung, die mir Schutz bietet. Kann ich hier gut sein? Werde ich hier angenommen?
Als ich mich für eine Fachrichtung in der Psychotherapieausbildung entscheiden musste, war dies herausfordernd. Es gibt so viele wunderbare Richtungen und Zugänge. Alle für sich wertvoll und hilfreich.
Als ich begonnen habe, mich erneut und intensiver mit der Existenzanalyse zu beschäftigen, war für mich aber rasch klar, dass es dieser Zugang
sein wird, in welchem ich mich ausbilden lasse und mein Wissen vertiefe. Und je länger und intensiver ich mich damit beschäftige, desto mehr sehe ich mich bestätigt und fühle mich in diesem
Zugang und seiner Haltung „zuhause“. Auch in der beratenden Arbeit mit Familien und Menschen in Krisen kann ich für mich hier immer wieder einen wahren Schatz erkennen.
Da ich mich schon seit langem sehr eingehend mit der beziehungs- und bindungsbasierten Haltung in der Begleitung von Menschen auseinandersetze, kann ich hier immer wieder gute Parallelen zu anderen wissenschaftlichen Konzepten und Zugängen finden und jene miteinander verbinden und integrieren. In der ersten Grundmotivation sprechen wir in der Existenzanalyse von den Elementen „Schutz, Raum und Halt“, die so wichtig sind, um gut in der Welt sein zu können. Mit der Existenziellen Pädagogik konnten diese personalen Ansätze aus Therapie und Beratung auch für den pädagogischen Bereich noch einmal gezielter aufbereitet und erweitert werden. Eine Herzensempfehlung hierfür an alle, die mit Kindern leben und/ oder arbeiten.
Immer wieder frage ich mich also, wie sieht es gerade mit „Schutz, Raum und Halt“ für mich und für mein Gegenüber aus? Gerade auch im Leben mit Kindern ist das etwas Grundlegendes. Erst wenn dies gegeben ist, können wir gemeinsam gut weiter gehen.
Längle, Alfried, Lehrbuch zur Existenzanalyse. Grundlagen. Facultas, 2014.
Waibel, Eva-Maria, Haltung gibt Halt: Mehr Gelassenheit in der Erziehung. Belz Juventa, 2022.