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Von der Kunst, Nein zu sagen (2)

Von der Kunst, Nein zu sagen (2)

Frust darf sein

Ein Nein löst bei einem Kind verständlicherweise meist Frustration aus, weil es nicht bekommt was es möchte. Die Reaktionen von Kindern sind ganz unterschiedlich. Manche schmollen, andere reagieren wütend oder weinen ...– alles Reaktionen um den Frust wieder abzubauen und sich wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Danach folgt meist ein Rückzug um zu betrauern, dass man nicht bekommen hat, was man sich doch so gewünscht hat. Auch das ist nachvollziehbar und in dem Fall ist es wirklich gut für Kinder diesen Raum für sich auch zu bekommen. Die emotionalen Reaktionen, die für Kinder aus ihrer Sicht heraus notwendig sind, dürfen weder kritisiert, ironisiert oder gar lächerlich gemacht werden. Begleitung ist in so einer Situation wichtig. Auch wenn ich etwas gerade nicht möchte, kann ich dennoch die Trauer und den Frust meines Kindes sehen und anerkennen. Es in Worte fassen. Obwohl ich etwas nicht will kann ich verstehen oder nachvollziehen versuchen was das gerade im Gegenüber auslöst. Sowas kann bei einem 3, 4 ,5 oder auch 6 - Jährigen schon mal einen Wutanfall auslösen.

Ein Nein und die damiteinhergehende Frustration kann ja auch bei älteren Kindern, Jugendlichen und bei vielen Erwachsenen nicht selten Wut auslösen... Der Unterschied ist, dass wir, je älter wir sind, im besten Fall immer mehr lernen damit besser umzugehen. Unser Hirn und die Areale die für die Emotionsregulation zuständig sind reifen und es fällt uns - mit der Begleitung unserer Bezugspersonen - immer öfter immer leichter mit starken Gefühlen umzugehen. Das ist ein Prozess der mehrere Jahre dauert.

»Eltern sollten den Unterschied zwischen existentiellen Bedürfnissen und momentanen Wünschen kennen und sich gemäß ihrer eigenen Wertvorstellungen frei entscheiden, wann sie Ja und wann sie Nein sagen.«

 

Jesper Juul

 

Nach einem Nein kommt es eben, dann und wann...oder auch öfter, zu einer Konfrontation. Konfrontation kann man auch mit Gegenüberstellung übersetzen. Wir stellen uns hin und zeigen uns, sagen wer wir sind und was wir wollen. So lernen wir uns selber und unser Gegenüber kennen. Und Kinder erleben, dass ein Wunsch und ein Bedürfnis nicht dasselbe sind. Man braucht jeden Tag zu Essen und dafür haben die Eltern Sorge zu tragen. Das bedeutet aber nicht, dass es jeden Tag Schokolade und Gummibärchen geben muss. Das sind Wünsche und nicht Bedürfnisse. Ob Eltern dazu Ja oder Nein sagen, liegt bei Ihnen. Den Konflikt bei einem Nein, den darf es jedoch geben.

 

Im Gegenzug muss auch das Nein der Kinder Ernst genommen werden - auch sie haben ein prinzipielles Recht darauf Nein zu sagen.

 

»Wenn Kinder mit Fürsorge und Respekt für ihre persönlichen Grenzen behandelt werden, dann hören sie tatsächlich auf das, was Eltern sagen, und halten sich in der Regel auch daran. Vielleicht nicht immer und vielleicht auch nicht mit großer Begeisterung, doch im Großen und Ganzen tun sie es.«

 

Jesper Juul

 

Wir dürfen gemeinsam üben und wachsen

Wir alle müssen uns in unser aller Interesse abgrenzen und definieren lernen – auf eine Art und Weise, die den anderen weder kränkt noch verletzt. Denn genau das ist eben die hohe Kunst beim 'Nein sagen' - wir dürfen das üben und uns erproben. Es ist nämlich wirklich gar nicht immer so leicht.

 

Wir können dies aber auch mit einem guten Gewissen machen und uns bewusst sein, dass wir damit für unsere Kinder wunderbare Rollenvorbilder sind. Ganz viele Menschen haben das nie erlebt und nie gelernt - sie werden erst durch ihre Elternschaft dazu  gebracht sich dieses Thema genauer anzusehen. Einfach weil man hier nicht mehr aus kann und es so essenziell ist im Miteinander. Die Beziehung zu unseren Kindern lädt uns quasi ein uns unserer eigenen Grenzen bewusst zu werden und zu üben wie wir sie wahren, ohne den anderen zu verletzen. So herausfordernd und knifflig das sein kann, so viel Potential liegt hier für unsere Beziehungen. Gerade in diesem Ausloten und Schauen können wir ja immer wieder in Kontakt gehen. Das mag im Alltag oft etwas anstrengend sein. Wir nehmen jedoch uns selbst und unsere Kinder auf diese Art ernst und sehen sie. Von klein auf zu erfahren "JA" sagen zu dürfen wenn man ja meint und "NEIN" sagen zu können wenn man nein meint, lässt in unseren Kindern ein gutes Gefühl für sich und ihr Selbst wachsen. Und das ist das was wir uns eigentlich alle für sie wünschen wenn wir sie gestärkt und genährt ins Leben begleiten wollen.

 

Literaturquellen:

Juul, Jesper: 5 Grundsteine für die Familie. Wie Erziehung funktioniert, Kösel, 2009.

Juul, Jesper: Nein aus Liebe. Klare Eltern - starke Kinder, BELTZ, 2018.