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Von der Kunst, Nein zu sagen (1)

Von der Kunst, Nein zu sagen (1)

»Liebe bedeutet, dem Kind das zu geben was es tatsächlich benötigt, um ein schönes Leben führen zu können. Darum ist ein Nein, das Eltern die größte Selbstüberwindung erfordert, oft die liebevollste Antwort, die ein Kind bekommt. «

 

Jesper Juul

 

Liebevoll nein zu sagen ist finde ich mitunter das Schwerste in der Beziehung zu anderen Menschen. Gerade in engen Beziehungen - wenn einem der Andere viel bedeutet. Also ganz besonders in der Beziehung zu unseren Kindern. Dabei ist es auch eine der wichtigsten Vorraussetzungen für ein gelingendes Miteinander, dass man seine Grenzen aufzeigen darf und kann. Denn wenn man dies zu lange unterlässt, dann folgt mit ziemlicher Sicherheit einmal ein Nein, dass vielleicht weitaus weniger liebevoll ist.

»Um aus vollem Herzen JA sagen zu können muss man auch NEIN sagen können.«

Persönlich sein - persönlich sprechen

Vorraussetzung dafür ist, dass man sich aber mit sich selbst und seinen Bedürfnissen und Grenzen auseinandersetzt.

Damit man, wenn man nein sagt, dies dann auch so meint und dazu stehen kann. Es muss mit Klarheit und Überzeugung vertreten werden können. Gerade Kinder merken sofort, ob wir noch mit uns verhandeln lassen oder ob es ein unverrückbares Nein ist.

Für ein Nein benötigt es eine persönliche Ansprache des Gegenübers. Keine allgemeinen Floskeln sondern eine Kommunikation direkt aus unserem Herzen. Persönliche Sprache. Gerade wenn Kinder unser Nein immer und immer wieder in Frage stellen, ist es sinnvoll es auf andere Art und noch persönlicher als zuvor zu versuchen.

Nein zu sagen heißt nicht, dass ich es unfreundlich oder unhöflich sagen muss – ganz im Gegenteil: Freundlich und klar. Damit meine Freundlichkeit aber nicht zur 'Maske' mutiert und ich authentisch bleiben kann, ist es wichtig mit dem Kind in Austausch zu gehen und zu erfragen, warum es das Nein nicht akzeptieren kann.

Konflikte sind auch wichtig

Kinder sind nicht an Macht interessiert und sie versuchen nicht die Autorität von Eltern zu sabotieren. Diese Art von Konflikt ist essentiell, damit ihr inneres Gleichgewicht erhalten oder wieder hergestellt werden kann. Und erst dadurch wird ein neuerliches Kooperieren wieder möglich. Kämpfen Kinder um die Erfüllung ihrer eigenen Bedürfnisse, dann ist das gesund, vital und auch vollkommen normal. Ein Nein kann und soll auch nicht immer auf Anhieb hingenommen werden. Das würde Kinder zu willenlosen kleinen Befehlsempfängern machen - keine gute Voraussetzung um einmal ein erfülltes, selbstbestimmtes und gutes Leben zu führen.

Deshalb ist es wichtig bei Erwachsenen das Bewusstsein zu bilden, dass Kinder für ihre Bedürfnisse kämpfen dürfen um zu lernen für ihre eigenen Bedürfnisse zu sorgen. Dabei geht es nicht darum, dass Eltern immer nachgeben müssen. Sondern dass Kinder in ihrem Anliegen gesehen werden. Ob am Ende das Nein stehen bleibt oder man sich als Elternteil dann doch auch einmal umentscheidet, liegt ganz bei den jeweiligen Eltern und deren Vorstellungen. Manches ist klipp und klar für die eine Person und für jemand anderen ist es verhandelbar. Es gibt aber auch unverrückbare Neins wie   zum Beispiel wenn es um die Sicherheit des Kindes geht.

Literaturquellen:

Juul, Jesper: 5 Grundsteine für die Familie. Wie Erziehung funktioniert, Kösel, 2009.

Juul, Jesper: Nein aus Liebe. Klare Eltern - starke Kinder, BELTZ, 2018.