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Eltern als Leuchttürme

Eltern als Leuchttürme

»Ein Leuchtturm ist fest an seinem Standort verankert und sendet regelmäßig Signale (Botschaften) aus, an denen sich herumschwirrende Kinder orientieren können.«

 

Jesper Juul 

 

Orientierung geben

Mit dem Bild des Leuchtturmes kann man veranschaulichen, wie elterliche Führung gut gestaltet werden kann. Zu diesem Leuchtturm können Kinder stets zurückkehren, um anschließend wieder in die Welt hinaus zu gehen und sie zu erkunden. Das Licht scheint weit – ganz besonders nachts und bei aufkommendem Nebel – da kommt dann auch einmal das Tönen eines Signalhorns hinzu. Ein Leuchtturm steht für Sicherheit und schenkt diese auch. Er mutet aber Kindern auch altersentsprechend etwas zu. Von Zeit zu Zeit ziehen Kinder aus und durchleben weiter weg Abenteuer – so lernen sie mehr und mehr auch kritische Situationen zu meistern und wachsen in ihr Leben hinein.

Die Herausforderung für Eltern besteht darin zu lernen und anzunehmen, dass sie ihre Kinder nur sehr bedingt vor möglichen Gefahren, die ihnen im Leben begegnen, beschützen werden können. Deswegen ist es hilfreich wenn sie bereit dafür sind ihren Kinder zu zeigen, wie man mit Risiken und Gefahren möglichst gut und sinnvoll umgeht. Im Leben kommt irgendwann einmal eine Situation, in der sie ohne die Hilfe und Unterstützung eines Erwachsenen eine größere Herausforderung meistern müssen. Es ist sinnvoll sein Kind altersgerecht und ganz auf das jeweilige Kind abgestimmt, im Alltag im Umgang mit Risiken zu begleiten. So können sie sich mit uns gemeinsam erproben und ihre Kompetenzen  und ihr Selbst wachsen in all den vielen Alltagssituationen die wir gemeinsam erleben.

»Leuchttürme rennen auch nicht überall auf der Insel herum und suchen nach Booten, die sie retten können. Sie stehen nur da und senden ihr Licht aus.«

 

Anne Lamott

Was brauche ich? Was brauchst du?

Junge Menschen brauchen also Bezugspersonen, die präsent sind und hier ihre Verantwortung übernehmen, sonst treiben sie – um in der Seefahrermetapher zu bleiben – auf offener See.

Es braucht Eltern, die zu ihren Werten und Anschauungen stehen können, die es aushalten können, bei ihren Kindern nicht immer nur beliebt zu sein. Erwachsene, die Konflikte erkennen und sich ihnen stellen. Erwachsene, die auch den Unterschied zwischen Wünschen und Bedürfnissen kennen und der Situation angepasst (re)agieren können. Sich hier mit seinen Eltern als Gegenüber auch behaupten zu können, lässt Kinder wachsen – es stärkt sie in ihrer Widerstandskraft und ihrem Gefühl für sich selber. Und dies brauchen Kinder für ihr ganzes Leben. Als Eltern können wir uns gewiss sein, dass dies – wenn es in einer Familienatmosphäre geschieht, die grundsätzlich von Wertschätzung und Respekt getragen ist, in der der andere nicht klein gemacht wird, sondern "sein darf" und in seinem "so sein" gesehen wird – auch die Liebe zwischen uns und unseren Kindern nur stärkt.

Gleichzeitig ist hiermit aber keine Rigidität gemeint. Wir sind als Erwachsene immer wieder dazu eingeladen auch unsere Vorstellungen zu überprüfen und nachzuspüren was und warum uns gerade etwas sehr wichtig ist. Wohlwollend hinzusehen auf mich und mein Gegenüber. Im Sinne der existenziellen Pädagogik - "Was braucht dieses Kind jetzt?"  Aber auch: "Was brauche ich jetzt?"  Und wie können wir das gestalten, sodass es uns uns allen miteinander möglichst gut gehen kann.

»Kinder brauchen eigentlich keine Erziehung sondern freundliche Begleitung.«

 

Jesper Juul

 

Raum für Entwicklung jenseits von Perfektion

Es ist schön, wenn wir ein solchermaßen stabiler Leuchtturm - immer wieder und immer öfter - sein können. Im Alltag ist es so, dass wir alle unter verschiedenen Eindrücken und auch Stressoren stehen. Gerade Eltern stehen oft stark unter Druck und erhalten teils wenig Unterstützung. Wir alle tragen einen eigenen Rucksack an Erfahrungen mit uns durchs Leben. Zum Teil kann uns das gerade im Elternsein ziemlich in die Quere kommen. Gerade dann, wenn wir vielleicht selbst in unserer Kindheit und in unserem bisherigen Leben, wenig Orientierung erleben durften. Es kann auch ein noch so bemühter und schöner Leuchtturm dann und wann einen "Wackelkontakt" haben...oder ihm geht die Energie aus...

Es gibt den Begriff des "good enough" (gut genug) parenting. Der gefällt mir persönlich ausserordentlich gut. Kinder brauchen keine perfekten Eltern. Sie brauchen uns also auch nicht als ihren perfekten Leuchtturm. Wenn wir bereit sind gemeinsam zu wachsen und immer wieder hinzusehen - auf uns selbst, auf unser Umfeld und wie wir die Beziehung zu unseren Kindern leben - dann ist das schon sehr viel. Und auch auf der Erziehungsreise dürfen wir uns wohlwollende Wegbegleiter suchen, wenn es mal allzu holprig wird und "im Kontakt wackelt". Nicht um Dinge immer noch besser und perfekt zu machen, sondern um uns und unsere Beziehungen zu stärken, gut für uns zu sorgen und uns in herausfordernden Zeiten zu entlasten. Das können Freunde und andere Eltern sein, die uns zugewandt sind und nicht werten. Es können aber auch professionelle Wegbegleiter sein, die mit uns ein Stück der Reise gehen. Ein Blick von Aussen kann mitunter sehr hilfreich und bereichernd sein und neue Möglichkeiten zeigen.

Umgeben Sie sich mit Menschen die Ihnen und Ihrer Familie gut tun. Wir alle - egal wie alt wir sind - brauchen freundliche Begleiter, bei denen wir uns gesehen, ernst genommen und wertgeschätzt fühlen.

Literaturquellen:

Juul, Jesper: 5 Grundsteine für die Familie. Wie Erziehung funktioniert. Kösel, 2009.

Juul, Jesper: Familienberatung: Worauf es ankommt, wie sie gelingt. Kösel, 2015.

Juul, Jesper: Was Familien trägt. Werte in Erziehung und Partnerschaft. Ein Orientierungsbuch, BELTZ, 2016.